Herbert Sternke & Bert Reimann
Wirtschaftsprüfer und Steuerberater
Alfelder Straße 125
12683 Berlin, Deutschland
In zwei Verfahren betreffend die Aussetzung der Vollziehung hat der 2. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden, dass das Hauptzollamt potenzielle Erben für nach dem Tod der Erblasserin entstandene Kfz-Steuern nicht in Anspruch nehmen darf, wenn die Erbfolge noch nicht geklärt ist.
Die im Jahr 2022 verstorbene Großmutter der beiden Antragstellerinnen war Halterin von mehreren Kraftfahrzeugen. Da neben den Antragstellerinnen auch ein Sohn der Großmutter die Erbenstellung beansprucht und damit die Erbfolge noch nicht vollständig geklärt ist, setzte das Amtsgericht einen Nachlasspfleger ein.
Das Hauptzollamt forderte die Antragstellerinnen auf, die bereits vor dem Tod der Großmutter festgesetzte Kraftfahrzeugsteuer für Zeiträume nach deren Tod zu bezahlen. Gegen diese Leistungsgebote legten die Antragstellerinnen Einsprüche ein, da sie nicht Gesamtrechtsnachfolgerinnen ihrer Großmutter seien, und stellten zugleich einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Das Hauptzollamt lehnte die Aussetzungsanträge ab und wies die Einsprüche als unbegründet ab. Da die Antragstellerinnen Erbscheine beantragt hätten, hätten sie konkludent die Erbschaft angenommen.
Über die hiergegen erhobene Klage hat das Gericht noch nicht entschieden. Den zugleich gestellten gerichtlichen Aussetzungsanträgen hat der 2. Senat des Finanzgerichts Münster stattgegeben, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Leistungsgebote bestünden.
Zunächst stehe nicht fest, dass die Antragstellerinnen (Allein-)Erben ihrer Großmutter geworden seien. Die Erbfolge sei vielmehr ungeklärt, sodass Ansprüche gegen die unbekannten Erben, vertreten durch den Nachlasspfleger, zu richten seien. Eine persönliche Inanspruchnahme potenzieller Erben scheide aus.
Zudem sei die Rechtsfrage, wer Schuldner der festgesetzten Kfz-Steuer nach dem Tod des weiterhin eingetragenen Halters wird, bislang ungeklärt. In Betracht kämen die Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Halters, wodurch sich die Steuerschuld möglicherweise auf den Nachlass beschränken würde, oder die Erbengemeinschaft als neue Halterin (»Vereinigung« i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 3 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung). Dass die Kfz-Steuer an die Haltereigenschaft anknüpfe und die Fahrzeuge weiterhin auf den Namen der Großmutter angemeldet seien, spreche dafür, die Kfz-Steuer als Nachlassverbindlichkeit anzusehen. Andererseits bestehe für Zeiträume nach dem Tod kein Bezug zum Nachlass und es liege – anders als die vom Bundesfinanzhof bisher entschiedenen Fällen – nicht lediglich eine »zeitweilige« Verhinderung des Halters zur Fahrzeugnutzung vor. Da die Haltereigenschaft als solche nicht vererbt werden könne, müssten die Erben die Fahrzeuge zunächst ummelden. Dies sei aber, solange die Erbfolge nicht geklärt ist, nicht möglich. Für eine Abmeldung der Fahrzeuge müsse zunächst ermittelt werden, wer sich im Besitz der amtlichen Kennzeichen und Bescheinigungen befinde. Damit liege nicht nur eine bislang unentschiedene Rechtsfrage, sondern auch ein ungeklärter Sachverhalt vor, der im Hauptsacheverfahren ermittelt werden müsse.
Schließlich habe das Hauptzollamt auch kein Auswahlermessen ausgeübt, denn auch der Sohn der Großmutter komme als weiterer Erbe in Betracht. Zudem habe es nicht darauf hingewiesen, dass die beiden Antragstellerinnen als Gesamtschuldnerinnen in Anspruch genommen werden.
FG Münster, Mitteilung vom 16.07.2024 zu den Beschlüssen 2 V 693/24 Kfz und 2 V 699/24 Kfz vom 18.06.2024