Herbert Sternke & Bert Reimann
Wirtschaftsprüfer und Steuerberater
Alfelder Straße 125
12683 Berlin, Deutschland
Ein Handwerksbetrieb aus Werne, der im Frühjahr 2020 Corona-Soforthilfen NRW erhalten, später seinen tatsächlichen Liquiditätsengpass zurückgemeldet und einen entsprechenden Schlussbescheid über eine (Teil)-Rückzahlung bekommen, hiergegen aber keine Klage erhoben hatte, hat keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen seines Verfahrens.
Das hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 11.07.2024 entschieden und die Berufung der Betriebsinhaberin gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen nicht zugelassen. Die Klage ist damit rechtskräftig abgewiesen.
Zahlreiche Empfänger von Soforthilfen, die sich in der einleitend beschriebenen Situation befanden, hatten später von den Bezirksregierungen ein Wiederaufgreifen ihrer Verfahren begehrt. Hintergrund dieser Begehren war, dass einige Verwaltungsgerichte und das Oberverwaltungsgericht rechtzeitig angegriffene Schlussbescheide für rechtswidrig gehalten haben. Die Bezirksregierungen haben ein Wiederaufgreifen jeweils abgelehnt. Mittlerweile haben verschiedene Verwaltungsgerichte entschieden, dass die im Ermessen der Behörden stehende Ablehnung des Wiederaufgreifens rechtlich nicht zu beanstanden war. Nun hat sich erstmals das Oberverwaltungsgericht mit dieser Problematik befasst.
Der 4. Senat des OVG Nordrhein-Westfalen hat in seinem Beschluss vom 11.07.2024 unter anderem ausgeführt:
Hinsichtlich der gesetzlichen Ermächtigung zum Wiederaufgreifen bestandskräftig abgeschlossener Verfahren besteht für den Betroffenen grundsätzlich nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung, und nur in besonderen – hier nicht gegebenen – Ausnahmefällen ein Anspruch auf ein Wiederaufgreifen. Das der materiellen Einzelfallgerechtigkeit gegenläufige Gebot der Rechtssicherheit ist ein wesentliches Element der Rechtsstaatlichkeit. Aus ihm folgt die grundsätzliche Rechtsbeständigkeit unanfechtbarer Verwaltungsakte. Der Gesetzgeber räumt bei der Aufhebung bestandskräftiger belastender Verwaltungsakte in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise weder dem Vorrang des Gesetzes noch der Rechtssicherheit einen generellen Vorrang ein. Die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Bestandskraft von Verwaltungsakten stehen vielmehr gleichberechtigt nebeneinander. Ist die Aufrechterhaltung eines bestandskräftigen Verwaltungsakts nicht »schlechthin unerträglich«, so ist es in aller Regel – und so auch hier – ermessensfehlerfrei, wenn die Behörde an der Bestandskraft ihrer Bescheide generell festhält und damit dem Aspekt der Rechtssicherheit den Vorzug gibt, obwohl sie sich in der später ergangenen Rechtsprechung als rechtswidrig erwiesen haben.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
OVG Nordrhein-Westfalen, Pressmitteilung vom 12.07.2024 zum Beschluss 4 A 1764/23 vom 11.07.2024